USA machen sich mittlerweile Tausende Nutzer
auf, pünktlich um 12 vorm Bildschirm
zu sitzen. Denn das, was es zu sehen gibt,
gibt es nur heute und nur für kurze
Zeit.
Woot.com
heißt eine der neuesten und faszinierendsten
Online-Shopping Ideen aus den USA. Jeden
Morgen streiten über 10.000 Nutzer
darum, die ersten zu sein, einen besonders
günstigen iPod, Apple PC oder ferngesteuerten
Dinosaurier zu ergattern.
Das
besondere an Woot: Das Angebot ist jeden
Tag neu. Immer gibt es nur ein stark reduziertes
Produkt. Und immer weiß niemand, wie
groß der Vorrat ist. Fest steht nur,
dass das Angebot täglich um 12 wechselt.
Worum es sich letzten Endes handelt, ist
bis zur letzten Minute unbekannt.
Abbildung
1: Ein aktuelles Schnäppchen auf Woot
(Quelle: Woot.com)
Das Internet zum Erlebnis machen
Der Erfolg von Woot lässt sich wohl
so erklären: In einer Online-Welt,
in der alles 24 Stunden am Tag, sieben Tage
die Woche verfügbar ist, macht die
Tatsache etwas nur zu einem bestimmten Zeitpunkt
für eine kurze Zeit haben zu können,
einen besonderen Reiz aus. Doch kennen
wir das Konzept nicht irgendwoher?
Natürlich:
Noch Ende der 90er Jahre waren sogenannte
Web-Events schwer angesagt. Angefangen bei
Live Konzerten, Sportübertragungen
bis hin zu Insider-News gab es für
jeden Geschmack etwas. Und wer nicht wusste,
was wann, wo lief, konnte sich in einer
der vielen Online-Programmzeitschriften
ausführlich informieren. Selbst Yahoo
hatte einen speziellen Channel nur für
Web-Events eingerichtet.
Doch
irgendwann ist die Idee Online-Veranstaltungen
als Traffic-Magnet zu nutzen, in
der virtuellen Schublade verschwunden. Und
mit ihr fast alle Internet-Programmmagazine
wie beispielsweise yack.com. Natürlich
verschwindet im Netz nie etwas ganz. Im
Vergleich zu früher führen Online-Events
daher immer noch ein Nischendasein. Hin
und wieder keimt die Idee als spezielle
Chat-Session oder Streaming-Event (z.B.
beim Erscheinen des neuen Star Wars'
Kinotrailers) wieder auf, doch als fester
Bestandteil des Internet Marketing haben
sich Web-Events bis heute nicht wirklich
durchsetzen können.
Woran
liegt das? Warum wurde dem Konzept der Inszenierung
einzigartiger Online-Ereignisse der
Durchbruch im Marketing verwehrt?
Vielen Events fehlte es an Kreativität
Die Gründe für den mangelnden
Erfolg von Web-Events sind vielschichtig.
Zum einen mangelte es häufig an der
Bandbreite und der technischen Infrastruktur
für medial aufwendige Ereignisse, zum
anderen fehlte es aber auch an Akzeptanz.
Web-Events erfüllten einfach nicht
die Ansprüche der Nutzer. Zu gering
war häufig der tatsächliche Nutzen.
Wer wollte schon eine Sport Live-Übertragung
auf einem Großbildfernseher mit der
verpixelten Übertragung am Computer-Monitor
eintauschen. Ganz zu schweigen vom Aufwand
den Rechner anzuschalten, die Website aufzurufen,
den aktuellen Player mit den aktuellen PlugIns
zu installieren, um schließlich den
Live-Stream endlich starten zu können.
Die
Achillesverse vieler Web-Events war
und ist, dass sie erfolgreiche Konzepte
aus den klassischen Medien kopieren. Und
Kopien haben leider grundsätzlich das
Problem zweitklassig zu sein.
Ein altes Konzept in neuem Gewand
Die Idee zu einer festgelegten Zeit, seinen
Nutzern ein besonderes, einmaliges Ereignis
zu bieten, bleibt jedoch weiterhin reizvoll.
Es ist also nicht verwunderlich, dass Web-Events
eine Renaissance erleben. Weniger
als große Musikkonzerte, sondern als
Business Happenings. Als eine Form des Marketing:
Surfen als künstlich geschaffenes
Erlebnis mit Einkaufsoption. Hört
sich verrückt an? Ist es aber nicht.
Woot zeigt das die Idee ankommt. Und noch
mehr: Web-Events als Teil einer erlebnisorientierten
Ausrichtung des eigenen Online-Shops haben
das Potential zu einem neuen Trend im Marketing
zu werden.
Abbildung 2: Ausverkauft!
heißt es sehr häufig bei Woot.com
Erfolgfaktoren von Web-Events
Nur wer sich etwas wirklich ungewöhnliches
ausdenkt und die spezifischen Vorteile des
Netz konsequent nutzt, kann mit seinem Event
eine ausreichende Anzahl an Konsumenten
motivieren und faszinieren. Hier
sind 4 Taktiken für den Entwurf und
die Umsetzung Ihres eigenen Shopping-Events:
Originalität und Nutzen ziehen Kunden
Wer die Aufmerksamkeit der Nutzer sucht,
muss mit etwas ganz Besonderem aufwarten.
Wenn Sie beispielsweise das Erscheinen eines
neuen Produktes besonders in Szene setzen
wollen, reicht ein einfacher Countdown nicht
aus. Es fehlt der Clou: Die Band
The Prodigy, bekannt durch Titel wie "Smack
my Bitch up" und "No Good",
veröffentlicht beispielsweise demnächst
ein neues Album. Um dieses zu promoten,
bot die Gruppe den Song "Memphis Bells"
für 3 EURO am 28.06.2004 ab 20.00 Uhr
zum Download an. Das Besondere daran war
aber nicht der Preis, sondern, dass sich
jeder Käufer des auf 5000 Downloads
limitierten Songs diesen selbst zusammenstellen
konnte. So ließen sich beispielsweise
eigene Klänge integrieren, MultiChannel-Versionen
herunterladen und vieles mehr. Das Angebot
zielte somit klar auf professionelle DJs
und Freizeitmusikmixer ab, die den Song
später in ihrer eigenen Version in
Clubs oder auf Parties spielen würden.
Achten Sie darauf, dass der Medienbezug
stimmt.
Versuchen Sie nicht etwas zu kopieren, was
es in anderen Medien bereits besser gibt.
Schaffen Sie ein Ereignis, dass die Vorteile
des Internet nutzt und gleichzeitig kaum
Berücksichtigung in den klassischen
Medien erhält. Ein Beispiel für
einen optimalen Medienbezug ist die virtuelle
Buchtour von Bernd Röthlingshofer.
Anlässlich des Erscheinens seines Buches
"Werbung mit kleinem Budget" tourte
er nicht durch Buchhandlungen, sondern durch
Weblogs. Für exakt einen Tag machte
er bei einem Online-Tagebuch oder einer
eZine halt, um dort einen Tag lang sein
Buch vorzustellen, mit den Betreibern zu
sprechen und Fragen der Leser zu beantworten.

Abbildung 2: Kevin Smokler
veranstaltet professionell Touren durch
Weblogs
Es muss Spaß machen
Unterhaltung ist Trumpf. Nur was langfristig
Spaß macht, kann sich als Event durchsetzen.
Der Online-Händler Woot nimmt sich
selbst nicht wirklich ernst. Wer ein wenig
auf der Website herumstöbert, stößt
fast zwangsläufig auf Aussagen wie
diese: Auf die Frage, wie Woot sich es leisten
kann, Produkte so günstig anzubieten,
schreibt das Unternehmen:
"We
anticipate profitability by 2043 -- by
then we should be retired; someone smarter
might take over and jack up the prices."
Immer
wieder überrascht Woot mit ganz besonderen
Angeboten. Im August 2004 versteigerte Woot
beispielsweise für 1 Dollar ein "Bag
o`Crap" (dt. eine Tüte Schund).
Das "Mystery Gift" stellte
sich später u.a. als eine Toilettenbürste
oder eine Mönchsfigur aus Beton heraus.
Bei
vielen anderen Produkten fragt man sich
ebenfalls, wozu man sie überhaupt braucht
- oder haben Sie bis jetzt einen ferngesteuerten
Tyrannosaurus vermisst?
Setzen Sie auf Mund-zu-Mund Propaganda
Geben Sie den Leuten etwas, worüber
Sie sprechen können. Woot bietet manche
Produkte teilweise zu so niedrigen Preisen
an, dass sie eigentlich kein Gewinn damit
erzielen können. Dennoch kann sich
ein solches Vorgehen auszahlen. Dass es
bei Woot täglich Preiskracher
gibt, ist zur Tatsache in den Köpfen
der Menschen geworden.
Der
Online-Händler schafft es aber noch
auf anderem Wege die Community zu begeistern.
So schrieb Woot zur Beschreibung eines PC
Kompakt-Gehäuses der Firma FIC:
"FIC's
Ice Brick is even smaller than the Ice
Cube you've seen here before, and smaller
still than the Ice Cube you saw in Anacondas."
Der
trockene Humor in vielen Produktbeschreibungen
fasziniert die Bloggerszene. Regelmäßig
findet man kurze Hinweise zu besonders gelungenen
Produktbeschreibungen in einer ganzen Reihe
von hochfrequentierten Weblogs und Foren.
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